Rückblick Digital Summit: KI – Transformation der Zukunft

aufklappen   Einklappen  
Fachbeitrag

 «Wenn KI intelligent wird, dann wird sie unabhängiger und undurchschaubar»

Ökonomieprofessor und Autor Mathias Binswanger warnt davor, sich zu sehr von der künstlichen Intelligenz abhängig zu machen.

Autorin: Corina Vogt-Beck, Wirtschaftregional

«Warum versuchen wir über­haupt, Intelligenz künstlich her­zustellen?», fragte Mathias Bins­wanger in seinem Impulsvortrag am «Wirtschaftsausblick 2025» der Stiftung Zukunft.li. Ganz of­fensichtlich sei Intelligenz ein knappes Gut und man hätte ger­ne mehr davon, genauso, wie man in der Vergangenheit ver­sucht habe, Gold künstlich her­zustellen. Allerdings: Wenn es gelungen wäre, wäre Gold mas­siv entwertet worden. «Die Fra­ge ist, ob dies bei der künst ­lichen Intelligenz nicht ganz ähnlich ist», so der Professor an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwest­schweiz. Er brachte die Erkennt­nisse und Thesen aus seinem aktuellen Buch «Die Verselbst­ständigung des Kapitalismus. Wie KI Menschen und Wirt­schaft steuert und für mehr Bü­rokratie sorgt» süffig und poin­tiert vor.

Was intelligent erscheint, gilt als intelligent
Wenn man von etwas spricht, wäre es natürlich gut, wenn man weiss, wovon man spricht, be­tont der Ökonomieprofessor: «Also, was ist künstliche Intelli­genz überhaupt? Wie bei den meisten wichtigen Dingen wis­sen wir das nicht so genau.» Man wisse ja nicht einmal ge­nau, was Intelligenz ist, so Bins­wanger. Der US-Forscher Mar­vin Minsky definierte 1966 künstliche Intelligenz als «die Wissenschaft, Ma schinen dazu zu bringen, Dinge zu tun, für die Menschen Intelligenz aufbrin­gen müssen.» Das heisst, wenn es intelligent erscheint, dann ist es intelligent, unabhängig da­von, ob es tatsächlich so ist: «Das ist bei Menschen ja nicht anders. Wenn Menschen etwas Intelli­gentes sagen, ist darauf zu ach­ten, ob sie wirklich intelligent sind, oder ob sie es nur vortäu­schen.»

Vom Hilfsmittel über den Manager zum Manipulator?
Die KI sei die Perfektionierung des Kapitalismus, erklärt Bins­wanger: «Die KI kann 24 Stun­den pro Tag arbeiten und opti­mieren, ohne müde zu werden. Und viel, viel mehr Informatio­nen verarbeiten, als Menschen das jemals könnten.» KI hat zwar keinen Geist, aber sie wird den Menschen in vielen Berei­chen überlegen sein: «Auf diese Weise wird dann die KI von ei­nem Hilfsmittel zu einer Art Ma­nager.» Je smarter die KI werde, desto mehr werde sie zum Part­ner. «Und wenn sie uns überholt hat, wird sie zu unserem Coach», erklärt der Autor, und bemerkt: «Coach ist ein sehr freundliches Wort.» Wohlwollender Diktator, Big Brother, Manipulator, Ver­führer, Unterdrücker … Man wis se noch nicht so genau, wie sich die KI entwickeln wird.

Mathias Binswanger zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft mit KI, in dem Hunde intelligen­ter als Menschen sein werden: Heute führen relativ intelligente Menschen ihre Hunde Gassi, in Zukunft werden intelligente KI-Hunde ihre Menschen durch die Stadt lotsen. Die grossen Proble­me mit KI zeigt der Autor dabei bildhaft auf. So sei die KI eine Blackbox: «Entscheide und Vor­hersagen der KI beruhen auf hochdimensionalen Mustern, die dem menschlichen Gehirn nicht mehr zugänglich sind.» Man könne nicht erfassen, wie die KI zu Entscheidungen gelangt, und man müsse glauben, dass die KI die richtigen Vorhersagen trifft.

KI lernt selbstständig aus rea len Daten und kann dadurch die Performance immer weiter verbessern: «Wer steuert also diese künstliche Intelligenz? Sind das überhaupt noch Menschen – oder agiert die KI bereits selbst­ständig?», fragt der Autor.

Algorithmen sind wie Kinder
Je mehr die KI lernt, desto weni­ger könne man sie durchschau­en, betont er: «In dieser Hin ­sicht sind die selbstlernenden Algorithmen ein bisschen wie Kinder.» Auch Kinder seien selbstlernend, und auf kleine Kinder habe man noch ziemlich viel Einfluss, aber sie werden je älter, desto unabhängiger. Kin­der könne man erziehen, KI müsse man mit Daten trainie­ren. Jedoch sei es paradox: Je besser man die KI trainiert, des­to weniger kann man sie kon­trollieren, und je stärker man sie kontrolliert, desto dümmer bleibt sie: «Wenn sie intelligent wird, dann wird sie unabhängi­ger und undurchschaubar.»

Ein weiteres Problem sei, dass KI ein Markt sei, der von wenigen Big-Tech-Firmen do­miniert wird. Diese beeinflus­sen, welche Daten wie verwen­det werden. Mathias Binswan ­ger zeigt am Beispiel von Ama­zon anschaulich auf, wie diese Marktmacht und Informations­asymmetrie ausgenutzt wer den kann.

Wenige Vorteile, höhere Komplexität
Man habe grosse Erwartungen in die Technologie gesetzt, künstliche Intelligenz habe den Anspruch, alles «smart» zu ma­chen: Smart Homes, smart Citys, smart Farming, und so weiter: «Wird dann auch die Ar­beit smarter?» Der KI-Hype sei schon vorbei, Investitionen sei ­en schon zurückgegangen. Und man habe erkannt, dass man mit KI dasselbe mache wie vorher, einfach etwas schneller und «smarter». Jedoch sei der Um­gang mit KI oft nicht sehr intelli­gent: Wenn alle KI einsetzen, gibt es keinen individuellen Vor­teil mehr, aber man hat eine ganz neue Komplexität erzeugt, und man hat den Anspruch, die KI ständig zu verbessern, um ei­nen Vorteil zu generieren.

Mathias Binswanger erläu­tert, dass es durch KI zu einer Controllingbürokratie kommt: Arbeit verlagert sich von der Produktion in die Bürokratie. So sinkt die Arbeitsproduktivi­tät, während Compliance-Ab­teilungen und Datenschutzstel­len in Unternehmen wachsen. Die Menge der Daten nimmt schneller zu als deren Auswert­barkeit, wobei die immer grös­sere Datenflut neue Komplexi­tät und weitere Herausforde­rungen kre iere. Im Moment sei es wichtig, die Kontrolle zu be­halten sowie die Verantwortung wahrzunehmen, schlussfolgert Mathias Binswanger, denn: «Es ist wahrscheinlich nicht sehr in­telligent, sich von künstlicher Intelligenz abhängig zu ma­chen.»

Newsletter abonnieren

Immer informiert über aktuelle Events, Workshops und News zur Initiative digital-liechtenstein.li

Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.