
Marco Denzler ist CEO Schweiz der Online Group und Boardmitglied von digital-liechtenstein.li. Seit über 25 Jahren prägt er die Digitalisierungs- und IT-Branche und gilt als Experte für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unternehmenskontext. Beim KI-Summit am 30. September 2025 zeigt die Online Group, wie AI nicht nur Vision bleibt, sondern konkrete Wertschöpfung schafft.
Marco, du bist seit kurzem CEO Schweiz der Online Group. Wie hast du die ersten Monate erlebt und welche Schwerpunkte setzt du, um die Online Group erfolgreich in die Zukunft zu führen?
Die ersten Monate waren unglaublich dynamisch – und von einer starken Aufbruchstimmung geprägt. Wir feiern unser 30-jähriges Jubiläum, haben dieses Jahr bereits über 25 neue Kunden gewonnen und das erfolgreichste erste Halbjahr unserer Geschichte erreicht. Das zeigt mir: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Als CEO Schweiz konzentriere ich mich auf drei Schwerpunkte:
- Kundennähe. Technologien sollen nicht Selbstzweck sein, sondern echten Business Impact schaffen. Gerade im Mittelstand und im öffentlichen Sektor ist Umsetzungsgeschwindigkeit entscheidend.
- AI als Gamechanger. Wir haben schon früh erkannt, wie stark AI die Geschäftswelt verändern wird. Vor bald zwei Jahren haben wir als Erste in der Schweiz und Liechtenstein den AI Readiness Check lanciert – zu einer Zeit, als viele noch nicht so recht wussten, was AI bedeutet. Damit haben wir Einblicke in über 250 Unternehmen und Organisationen gewonnen und können heute sehr gezielt dort ansetzen, wo AI den grössten Unterschied macht.
- Team & Kultur. Unsere Stärke liegt in unseren Mitarbeitenden. Die wiederholte Auszeichnung als „Great Place to Work“ ist nicht nur Gütesiegel, sondern Auftrag, diese Kultur weiterzutragen.
Meine Rolle sehe ich darin, die Brücke zwischen Strategie und Umsetzung zu schlagen – und die Online Group als Partner zu positionieren, der Kunden, Partnern und Mitarbeitenden Orientierung und Mehrwert bietet.
Was fasziniert dich persönlich an der digitalen Transformation – und warum ist Künstliche Intelligenz für dich der zentrale Hebel?
Digitale Transformation hat für mich immer zwei Seiten: Technologie auf der einen – und Menschen, Organisationen und Geschäftsmodelle auf der anderen. Transformation gelingt nur, wenn beides zusammenspielt.
Ich begleite diese Entwicklung seit über 25 Jahren. Ich habe die Anfänge der IT miterlebt, die Cloud-Revolution von Beginn an mitgestaltet – und heute stehen wir mit AI vor dem nächsten grossen Quantensprung, grösser als alles, was ich bisher erlebt habe.
AI verändert nicht nur, wie wir arbeiten, sondern auch, wie wir denken, entscheiden und Wert schaffen. Während viele Innovationen evolutionär sind, ist AI revolutionär: Sie bringt in kürzester Zeit Produktivitätsgewinne, eröffnet neue Geschäftsmodelle und macht Unternehmen resilienter.
Mich begeistert, dass AI kein Zukunftsthema mehr ist, sondern heute schon greifbar: von intelligenten Dokumentenflüssen über automatisierte Prozesse bis hin zu Chatbots. Die kommenden Jahre werden den Unterschied machen zwischen Unternehmen, die AI gestalten – und solchen, die von ihr gestaltet werden.
Du bist auch im Board von digital-liechtenstein.li. Welche Rolle spielt Liechtenstein als Innovationsstandort – und wie bringt sich die Online Group hier ein?Liechtenstein ist für mich ein faszinierendes Land und eine innovative Wirtschaftsregion: eigenständig, agil und in vielen Bereichen führend – ob Blockchain, Verwaltung oder dank des Innovationsgeists des Fürstenhauses. Gerade im Vergleich zur Schweiz beeindruckt mich, wie konsequent hier digitale Initiativen umgesetzt werden.
Die Online Group ist zwar international aufgestellt, aber tief in der Ostschweiz verwurzelt – mitten im Wirtschaftsraum Rheintal, eng verbunden mit Liechtenstein. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Kunden im Land und begleiten aktuell die Landesverwaltung unter anderem bei Themen wie Modern Workplace, Microsoft Cloud, Microsoft Copilot und generativer KI. Ziel ist es, Effizienz zu steigern und gleichzeitig eine moderne, sichere Arbeitskultur zu fördern.
Im Board von digital-liechtenstein.li sehe ich unsere Rolle darin, Erfahrungen aus über 30 Jahren Digitalisierung, Cloud und AI einzubringen – und gleichzeitig von der Innovationskraft Liechtensteins zu lernen. Genau dieser Austausch macht die Initiative so wertvoll.
Welche AI-Anwendungen seht ihr aktuell als besonders spannend – und wo entstehen für eure Kunden heute schon echte Wettbewerbsvorteile?
AI ist längst kein Experimentierfeld mehr, sondern bringt quer durch alle Branchen echten Mehrwert. Wir haben in den letzten Monaten über 25 Projekte umgesetzt – von Industrieunternehmen über den öffentlichen Sektor bis hin zum Mittelstand.
Besonders relevant sind drei Felder:
- Interaktive Chatbots – schnelle Antworten, bessere Servicequalität, Entlastung der Mitarbeitenden.
- Automatisierte Prozesse – etwa in Verwaltung oder Backoffice, wo Geschwindigkeit und Präzision zählen.
- Intelligente Dokumentenflüsse – Beurteilung auf Grund von Rahmenbedingungen und Regelwerken, dies spart Zeit und reduzieren Fehler.
Dazu kommt Microsoft Copilot, der gerade zum Gamechanger wird: AI direkt in den Arbeitsalltag zu integrieren – dort, wo die Menschen ohnehin arbeiten.
Das Entscheidende: Wir sprechen nicht über Prototypen, die in der Schublade verschwinden, sondern über Lösungen, die im Tagesgeschäft messbar Wirkung entfalten.
Viele Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie KI sinnvoll und verantwortungsvoll integrieren können. Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche KI-Adoption?
Unsere Erfahrung aus über 25 Projekten zeigt klar: Technologie allein reicht nicht. Erfolgreiche KI-Adoption braucht drei Dinge:
- Klare Ziele. Unternehmen müssen definieren, welches Problem sie mit AI lösen wollen – sonst bleibt es beim Pilotprojekt.
- Stakeholder-Buy-in. Führung, Fachbereiche und Mitarbeitende müssen eingebunden werden, sonst fehlt Akzeptanz.
- Change & Befähigung. Mitarbeitende brauchen Skills und eine Kultur, die Experimente erlaubt.
Genau hier setzt auch unsere Kollegin Fabienne Bouffe an: In ihrer Masterarbeit untersucht sie, wie Entscheidungsträger im Schweizer Mittelstand Generative AI akzeptieren. Ihre Erkenntnis: Am Ende entscheidet nicht die Technologie, sondern die Haltung – Vertrauen, Klarheit und Kommunikation.
Unsere eigenen Daten aus dem AI Readiness Check unterstreichen das eindrücklich: 97 % der Unternehmen sehen AI als wichtig für ihr Business. Aber über 80 % wissen nicht, in welchen Prozessen AI konkrete Vorteile bringt – und genauso viele beurteilen den Ausbildungsstand ihrer Mitarbeitenden als ungenügend. Diese Lücke zwischen strategischer Relevanz und praktischer Umsetzung ist genau das Feld, in dem wir mit Projekten Orientierung schaffen und Skills aufbauen.
Parallel sehen wir, dass Befähigung auch eine nationale Dimension hat. Microsoft will mit lerneKI.ch bis 2027 über eine Million Menschen in der Schweiz mit AI-Skills ausstatten. Als enger Microsoft-Partner können wir diese Programme direkt in Projekte einbinden – und sicherstellen, dass Unternehmen jeder Grösse Zugang zu neuesten Entwicklungen haben.
Zusammen mit Microsoft-Vertretern wie Primo Amrein, mit dem wir auch im Expertengremium für den neuen eidg. Fachausweis AI Business Specialist mitgewirkt haben, stärken wir so die Basis. Denn AI wird nur dann zum Wettbewerbsvorteil, wenn Technologie, Menschen und Organisation Hand in Hand gehen.
Auch unser Group CEO Balz Zürrer engagiert sich stark in diesem Bereich: Er ist Gründer des HSG (Hochschule St.Gallen) AI Alumni Club, der Führungspersönlichkeiten in der Schweiz befähigt, AI strategisch einzusetzen. Damit verbinden wir Praxisprojekte mit akademischem Diskurs und zeigen, dass Befähigung auf allen Ebenen entscheidend ist.
Gerade KMUs fragen sich, wie sie Schritt halten können. Welche Wege siehst du, damit auch kleinere Unternehmen von AI profitieren?
Viele KMUs spüren den Druck, bei AI nicht den Anschluss zu verlieren – und gleichzeitig fehlen oft die Ressourcen für grosse Programme. Doch genau hier liegt ihr Vorteil: KMUs sind das flexible Surfbrett, das die AI-Welle agiler reiten kann als träge Grossorganisationen.
Drei Dinge helfen besonders:
- Quick Wins. Kleine, konkrete Use Cases wie Copilot im Büroalltag oder Chatbots im Service zeigen schnell Wirkung.
- Befähigung. Mitarbeitende Schritt für Schritt schulen und Vertrauen schaffen – so steigt Akzeptanz.
- Partner. Mit erfahrenen Partnern Best Practices nutzen und Risiken minimieren.
Gerade KMUs haben die Chance, mutiger zu handeln und Grossunternehmen mit ihrer Trägheit zu überholen. Wer jetzt beginnt, verschafft sich einen klaren Vorsprung.
Ein wichtiger Hebel sind dabei auch regionale Ökosysteme: Im Innovationsnetzwerk Ostschweiz setzen wir gemeinsam mit Hochschulen wie der OST konkrete Innovationsprojekte für KMUs um. Damit bringen wir neueste Forschung und praxisnahe AI-Lösungen direkt in die Region – schnell, umsetzbar und wirksam.
Die Online Group ist mit mehreren Beiträgen am KI-Summit vertreten. Worauf dürfen sich die Teilnehmenden bei euren Inputs besonders freuen?
Am KI-Summit wollen wir zeigen: AI ist nicht Zukunftsmusik, sondern Praxis.
Ralf Angermann und Fabienne Bouffé präsentieren Beispiele aus über 25 realisierten Projekten – von Chatbots über automatisierte Prozesse bis hin zu intelligenten Dokumentenflüssen. Sie geben praxisnahe Einblicke und teilen offen Erfolgsfaktoren wie klare Ziele, Stakeholder-Buy-in und Change Management.
Gleichzeitig stehen wir im engen Austausch mit dem Silicon Valley, um internationale AI-Trends frühzeitig aufzunehmen und in die Schweizer Praxis zu übersetzen. Unser Partner konnte sich dabei sogar persönlich mit Sam Altman (CEO von OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT) austauschen – ein wertvoller Einblick direkt von der Quelle der AI-Entwicklung. Diese Verbindung von globalen Insights und lokaler Umsetzung macht unseren Beitrag besonders spannend.
Teilnehmende dürfen sich auf ehrliche Insights, Live-Demos und konkrete Takeaways freuen.
Wie verändert KI das Führungsverständnis in Unternehmen – und wie lebt ihr diesen Wandel in der Online Group?
Führung hat für uns schon lange nichts mit Hierarchie oder Informationshoheit zu tun. Wir leben flache Strukturen, direkte Kommunikation und eine Kultur des gegenseitigen Lernens.
Seit der Geburt von ChatGPT haben wir unser Team Schritt für Schritt auf die AI-Reise mitgenommen – Top-down mit klaren Rahmen, Bottom-up mit Raum für Experimente: Adoption-Initiativen, Befähigungsprogramme, Challenges, bereitgestellte Tools. Heute nutzt unser gesamtes Team AI produktiv im Alltag.
AI verändert unser Führungsverständnis doppelt:
- Freiräume schaffen. Routineaufgaben werden automatisiert – mehr Zeit für echte Führung und Austausch mit Menschen.
- Werte verstärken. Impact, Responsibility, Growth, People – AI unterstützt uns, Wirkung zu erzielen, Verantwortung zu übernehmen, Wissen auszubauen und Teamspirit zu leben.
Für mich ist klar: AI ermöglicht bessere Führung. Sie gibt uns Zeit für das Wesentliche – Menschen, Beziehungen, Entwicklung.
Welche Haltung und welche Kompetenzen brauchen Mitarbeitende und Führungskräfte, um in einer AI-getriebenen Zukunft erfolgreich zu bleiben?Entscheidend ist eine Kombination aus Haltung heute und Kompetenzen für morgen.
Haltung heute: Offenheit, Neugier und der Mut, Neues auszuprobieren. Dieses Mindset wirkt generationsübergreifend – junge Mitarbeitende bringen Selbstverständlichkeit, erfahrene Kollegen ihre Fachkompetenz. Zusammen entsteht ein starkes Team. Gleichzeitig entstehen neue Rollen: Mit dem eidg. Fachausweis AI Business Specialist, den unser Kollege Ralf Angermann mitgeprägt hat, wird erstmals eine Qualifikation geschaffen, die Business-Know-how und AI-Kompetenz vereint. Diese Specialists sind Motoren für Veränderung und Lernen in Organisationen.
Kompetenzen morgen: Klassisches Faktenlernen verliert an Relevanz, weil AI viele Aufgaben übernimmt. Dafür werden andere Fähigkeiten entscheidend:
- Exploratives Lernen: Fragen stellen, Hypothesen testen, mit Unsicherheit umgehen.
- Kritisches Denken & Urteilsfähigkeit: AI liefert Antworten – Menschen ordnen ein.
- Kollaboration & Empathie: Wenn Routine wegfällt, zählen Teamfähigkeit und Menschlichkeit noch mehr.
- Erfahrung & Intuition: Skills, die kein Schulbuch abbildet, gewinnen wieder an Bedeutung.
Die Zukunft gehört nicht denjenigen, die AI ersetzen wollen, sondern denjenigen, die AI nutzen, um ihre menschlichen Stärken zu verstärken. Wer diesen Mindset-Wandel vollzieht, wird in Zukunft nicht nur AI Ready, sondern auch Business Ready sein.
Vielen Dank für das Gespräch!
KI-Summit
Am Dienstag, 30. September 2025, lädt digital-liechtenstein.li zum zweiten KI-Summit ein. Kooperationspartner und Gastgeberin ist die LGT Bank in Bendern. Der Anlass bringt Mitgliedsunternehmen sowie externe Expertinnen und Experten zusammen, um praxisnahe Einblicke in den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in verschiedenen Branchen zu geben. Infos und Anmeldung