Wie steht Liechtenstein zur Digitalisierung?

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Interview

«Wandel kostet natürlich Energie und Zeit, aber er bietet auch neue Perspektiven»

Theresa Goop ist Research Fellow der Stiftung Zukunft.li, einem Thinktank, welcher fundierte Analysen zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen für Liechtenstein liefert. Im aktuellen Fokus «Künstliche Intelligenz und die Berufe der Zukunft. Eine Einordnung für Liechtenstein» beleuchtet Zukunft.li, wie KI den Arbeitsmarkt, die Bildung und das Innovationspotenzial Liechtensteins beeinflusst und warum sich eine «doppelten Chance» eröffnet.

Theresa, in eurem aktuellen Fokus sprichst du von einer «doppelten Chance» durch Künstliche Intelligenz für Liechtenstein. Was genau steckt hinter diesem Begriff und warum ist gerade unser Land in einer besonderen Position?
Bei der doppelten Chance geht es um die Produktivitätsgewinne, die wir durch KI erwarten. Die Chance liegt einerseits in den Berufen, die von KI profitieren. Wer in diesen Berufen arbeitet, wird durch den Einsatz von KI besser. Gleichzeitig wird die Produktivität dadurch erhöht, dass KI Aufgaben komplett übernehmen kann. Dadurch kann mehr produziert werden und Menschen erhalten zusätzliche Kapazität für das, was eben nur Menschen können, wie zum Beispiel Kundengespräche.

Der Fokus zeigt, dass ein Drittel der Erwerbstätigen in Berufen arbeitet, die potenziell von KI ersetzt werden könnten. Wie kann man diesen Menschen konkret Mut machen und Perspektiven aufzeigen?
Es gibt viele Aspekte, die Mut machen: Zunächst sind nicht Menschen direkt von KI betroffen, sondern Berufe und Aufgaben. Manche Aufgaben werden ersetzt, andere nicht. Hinzu kommt: KI macht Bildung zugänglicher, etwa durch personalisiertes Lernen, Übersetzungen oder die Umwandlung komplexer Texte in ansprechende Formate zum Zuhören.

Wandel kostet natürlich Energie und Zeit, aber er bietet auch neue Perspektiven, wenn man sich der Aufgabe annimmt, sich neu zu positionieren.

Ein spannender Aspekt eurer Analyse ist, dass Führungskräfte eher profitieren, während klassische Büroangestellte stärker gefährdet sind. Wie lässt sich verhindern, dass KI die soziale Schere im Arbeitsmarkt weiter öffnet?
Die Verteilungseffekte von KI sind nicht vollständig erforscht, es gibt aber Hinweise darauf, dass KI besonders diejenigen Personen negativ trifft, die ohnehin einen niedrigen Lohn haben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch Personen in stark betroffenen Berufen, wie die klassischen Bürokräfte, in veränderten oder neuen Berufen eine Perspektive finden werden. Zudem: Durch die positiven Auswirkungen von KI wird der Kuchen für alle grösser.

Welche Rolle spielen in diesem Kontext die sogenannten «Berufe der Zukunft» – und welche Kompetenzen brauchen wir, um in einer KI-getriebenen Welt erfolgreich zu sein?
Ein oft zitierter Satz besagt, dass wir nicht durch KI ersetzt werden, sondern durch Menschen, die KI nutzen. Diese KI-Kompetenz müssen wir uns also aneignen, um erfolgreich zu werden. Empathisch sein, gut kommunizieren und vernetzt und kritisch denken schadet auch nicht.

Was rätst du konkret Berufstätigen, die sich aktiv für die Zukunft mit KI positionieren wollen? Welche Schritte sollten sie heute gehen, um morgen nicht abgehängt zu werden?
Ich rate ihnen, offen zu bleiben und KI in ihren Arbeitsalltag einzubinden, damit sie dadurch noch besser in ihren Aufgaben werden. Mit dieser aktiven Auseinandersetzung kommen wir auf neue Ideen, wie wir die Aufgaben gestalten können. Wer mitgestaltet ist sicher besser dran und hat mehr Freude an der Veränderung, als diejenigen, die passiv bleiben.

Ihr betont, dass Offenheit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit KI zentrale Erfolgsfaktoren sind. Wie können Unternehmen, aber auch das Bildungssystem, genau diese Haltung fördern?
Unternehmen müssen dem Wandel Raum geben. Das kann durch Unterstützung in der Weiterbildung, im Umgang mit KI und auch durch Zeit für Innovation sein. Das Bildungssystem blickt meines Erachtens bereits in die richtige Richtung, die Kinder und jungen Erwachsenen geben da das Tempo ohnehin an.

Ein kritischer Punkt zur Methodik: Die Analyse basiert auf Daten von Ende 2020. In der Welt der KI ist das gefühlt eine Ewigkeit. Wie aktuell sind die Ergebnisse heute noch – und plant ihr eine Aktualisierung?
Wir beziehen uns in der Analyse auf Berufe aus 2020 und wie sie von den aktuellsten KI-Technologien betroffen sind. Über KI-Technologie aus 2020 zu schreiben, würde tatsächlich einer Steinzeit-Studie ähneln. Da wir aber nur die Berufsstruktur aus 2020 nutzen und diese sich in den letzten 5 Jahren nicht so stark geändert hat, sind die Aussagen immer noch aktuell. Die neuen Daten werden in der Volkszählung 2025 erhoben, die ja bald startet.

Zum Schluss: Hast du bei der Beantwortung dieser Fragen KI zur Hilfe genommen?
Grösstenteils nicht. Ich habe bei einer Frage Claude gefragt, wie ich meine Antwort besser strukturieren könnte. Welche das ist, lasse ich die Leserinnen und Leser selbst herausfinden.

Vielen Dank für das Gespräch!


Fokus: Künstliche Intelligenz und die Berufe der Zukunft. Eine Einordnung aus Liechtenstein
Laut einer aktuellen Analyse der Stiftung Zukunft.li sind 37 % der Erwerbstätigen in Liechtenstein durch KI potenziell ersetzbar – gleichzeitig arbeiten 33 % in Berufen, die direkt von KI profitieren können. Der Fokus von Theresa Goop, Gerald Hosp und Thomas Lorenz bietet einen kompakten Überblick über die wichtigsten Trends und Herausforderungen. Zum Fokus

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