
Am Digital Summit werden am 15. April im Vaduzer Saal hoch karätige Expertinnen und Experten über die Erfolgsfaktoren und die Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) für Wirtschaft und Gesellschaft sprechen. Zu den Hauptrednerinnen gehört Christine Antlanger-Winter, Country Director von Google Schweiz. Im Interview mit Corina Vogt-Beck von Wirtschaftregional gibt sie einen Einblick in die Google-Welt.
Am Digital Summit werden Sie über KI und deren Potenzial für ein neues Zeitalter der Innovation und des Wachstums sprechen. Können Sie skizzieren, wie wir mit KI in 20 Jahren leben und arbeiten werden?
Christine Antlanger-Winter: Niemand kann heute bereits voraussagen, was in zwei Jahrzehnten sein wird. In der Technologiebranche entspricht dies einem neuen Zeitalter. Bereits fünf Jahre sind eine lange Zeit – noch vor drei Jahren hatte kaum jemand über generative KI gesprochen, auch wenn unser CEO Sundar Pichai Google bereits im Jahr 2016 als «AI-first Company» bezeichnet hatte. Eines ist sicher, KI wird in den kommenden Jahren ein Katalysator sein, der unsere Freizeit und Arbeitsweise von Grund auf verändern wird; es ist eine Technologie, die uns Menschen und uns als Gesellschaft bei gezieltem Einsatz tatkräftig unterstützen kann. Bereits heute sehen wir positive Anwendungsfälle von KI-getriebenen Innovationen, beispielsweise in der Medizin und Biochemie, aber auch im Transportwesen oder bei Wetterprognosen und Vorhersagen von Naturkatastrophen.
Werden wir als Gesellschaft lernen, verantwortungsvoll mit dieser Technologie umzugehen?
Der Erfolg dieser Transformation kann nur mit einem verantwortungsvollen Umgang mit KI einhergehen. Wir sollten als Gesellschaft sicherstellen, dass die Anwendung von KI ethischen Grundsätzen folgt, transparent ist und zum Wohle aller eingesetzt wird. Ich bin überzeugt, dass KI das Potenzial hat, ein neues Zeitalter der Innovation und des Wachstums einzuleiten. Gemeinsam können wir die Zukunft gestalten und die Chancen nutzen, die uns diese transformative Technologie bietet. So besagt eine aktuelle Studie, dass der Einsatz von generativer KI das jährliche Bruttoinlandsprodukt der Schweiz innerhalb der nächsten zehn Jahre um 80 bis 85 Milliarden Franken – also bis zu 11 Prozent – steigern kann.
Kann man ohne KI überhaupt noch digitale Entwicklungen vornehmen?
KI wird zukünftig in sehr vielen Bereichen und Feldern als sehr leistungsstarkes Werkzeug zum Einsatz kommen. KI kann Menschen also immer tatkräftiger bei Routineaufgaben unterstützen, auch wenn diese weiterhin am Steuer sind. Meiner Meinung nach ist KI immer dann nützlich, wenn es um Aufgaben geht, bei denen eine automatisierte Entscheidungsfindung eingesetzt werden kann, wenn komplexe Datenanalysen und Mustererkennungen getätigt werden, aber auch wenn Text-, Bild- und Videoerkennung wie auch -generierung erforderlich ist. Die Felder, in denen KI zu künftig eingesetzt werden können, werden sich in den kommenden Jahren noch stark aus breiten und vertiefen, Mensch und KI werden immer natürlicher zusammen agieren, wie heute bereits mit dem Computer. Auch wenn zukünftig wohl immer weniger, hängt es heute noch von den spezifischen Anforderungen eines Projekts ab, inwiefern traditionelle Programmiertechniken eingesetzt werden und wie viel KI zur Unterstützung zum Einsatz kommt.
Welches «Next big thing» wird in Zürich gerade entwickelt?
Der Zürcher Standort hat sich über die vergangenen 20 Jahre zu einem der bedeutendsten Forschungs- und Entwicklungsstandorte von Google weltweit entwickelt. Unsere Softwareingenieure in Zürich haben über viele Jahre einige der erfolgreichsten Produkte von Google mitentwickelt, Schlüsseldienste wie die Google-Suche, Google Maps oder Youtube – es handelt sich um ein veritables «Google Miniature», wie wir es oft aufgrund der Diversität des Standorts selbst bezeichnen. Und seit einigen Jahren wird bei Google in Zürich intensiv an KI geforscht und mitgearbeitet. In Zürich sitzen Teams von Google Deepmind bis Gemini. Dank der zukunftsweisenden KI-Technologien werden Googles Dienste stets besser. Ein illustratives Beispiel, wie KI dem Klima und so mit Gesellschaft zugutekommt:
Ein Forschungsprojekt, an dem auch in Zürich mitgearbeitet wird, hilft Fluggesellschaften dabei, die Auswirkungen von Kondensstreifen auf das Klima zu verringern. Durch die KI-berechnete Änderung der Flughöhe kommt es zu einem positiven Effekt, nämlich einer Minimierung der Kondensstreifen, welche zu mehr als einem Drittel zu klimaerwärmenden Emissionen bei Flügen beitragen.
Was muss man mitbringen, um bei Google Schweiz erfolgreich zu sein?
Jeder Produktbereich hat seine eigenen Schwerpunkte und Arbeitsweisen und somit auch Anforderungen an unsere Mitarbeitenden. Was unseren Standort in Zürich wirklich besonders macht, ist die enorme Vielfalt der Menschen, die hier arbeiten. Mit Mitarbeitenden aus 85 verschiedenen Nationen sind wir einer der vielfältigsten Google Standorte weltweit.
Begonnen hat es in Zürich mit einer Handvoll Angestellten, heute sind es 5000. Aber der Standort war auch von Entlassungen betroffen. Wie wird es mit dem Standort Zürich weitergehen?
Der Standort hat sich über die letzten zwei Jahrzehnte sehr positiv entwickelt. Wir sind nach gut 20 Jahren in Zürich ein integraler Teil der lokalen Wirtschaft und Gesellschaft, wir pflegen einen engen Austausch mit vielen Partnern, sind Teil des lokalen Ökosystems, ob in der Forschung und Entwicklung, in der Wirtschaft oder auch in Teilen der Bildung – u. a. in der Weiterbildung im digitalen Bereich. Zusammenarbeit und Austausch mit unseren Partnern sowie gemeinsames Vorausdenken sind uns sehr wichtig. Wir unterhalten seit Langem enge Beziehungen und Forschungskooperationen mit universitären Einrichtungen wie der ETH Zürich, der EPF Lausanne oder der Universität Zürich. Dieses lebendige und innovative Technologie Ökosystem in Zürich ist auch mit uns in den letzten Jahren zu einem der führenden in Europa und auch weltweit gewachsen. Ich erwarte, dass wir in den kommenden Jahren Innovationen – gerade rund um künstliche Intelligenz – von Zürich aus weiter so erfolgreich vorantreiben können. Die Schweiz ist zu einem der bedeutendsten Forschungsstandorten von Google weltweit geworden. Seit einiger Zeit haben wir dies noch zusätzlich verstärkt, dank der Zusammenarbeit mit dem AI Center an der ETH Zürich.
Wie sehen Sie die Situation betreffend KI, was ökologische Fragen anbelangt?
Künstliche Intelligenz kann gerade auch im Bereich der Umwelt und Ökologie viel bewegen. Bereits heute sehen wir positive Anwendungsfälle von KI-getriebenen Innovationen, beispielsweise bei Vorhersagen von Naturkatastrophen. Auch in bereits bekannten Google-Produkten ist KI integriert, beispielsweise kann man sich bei der Google Maps-Navigation dank KI eine klimafreundlichere Route anzeigen lassen. Solche Möglichkeiten können somit für einzelne User, aber auch auf gesellschaftlicher Ebene viel Nutzen stiften. Wir werden bei Google künftig unsere wichtigsten Angebote so erweitern, dass wir bis 2032 einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzern helfen können, nachhaltiger zu leben.
Wie geht der Strom- und Wasserverbrauch mit den Klimazielen überein?
Dies ist ein Thema, das Google sehr ernst nimmt. Bereits seit 2017 erwirbt Google erneuerbare Energie im Umfang seines kompletten Strombedarfs. Noch lässt sich zwar nicht jedes Rechenzentrum zu jeder Uhrzeit mit CO2-freier Energie betreiben, unter anderem weil Wind- und Sonnenenergie nicht ständig zur Verfügung stehen. Doch allen noch nötigen konventionellen Strom gleichen wir bei Google mit zusätzlich produzierter erneuerbarer Energie aus. Wir haben das Ziel, bis 2030 alle Rechenzentren rund um die Uhr aus regenerativen Quellen zu betreiben. Doch wir sind uns bewusst, dass kein noch so ehrgeiziges Unternehmen eine so grosse Herausforderung wie den Klimawandel allein lösen kann. Was wir tun können ist, Technologien zu entwickeln, die es uns, unseren Partnern und den Menschen auf der ganzen Welt ermöglichen, sinnvolle Massnahmen zu er greifen. Mithilfe künstlicher Intelligenz ist es uns beispielsweise gelungen, die Kühlenergie in unseren Datenzentren nochmals um 30 bis 40 Prozent zu reduzieren. Allein in Europa wollen wir als Unternehmen bis Ende dieses Jahres zwei Milliarden Euro in Projekte zur CO2 freien Energieerzeugung und in nachhaltige Infrastrukturen investieren. Wir setzen also auf technologischen Fortschritt, um unser Ziel zu erreichen, Google zum ersten CO2-freien Konzern zu machen.
Interview: Corina Vogt-Beck, Wirtschaftregional
Digital Summit 2025: KI-Transformation als Schlüssel der digitalen Zukunft
Der Digital Summit verwandelt am 15. April den Vaduzer-Saal erneut zum Dreh- und Angelpunkt der digitalen Transformation. An der führenden Digitalkonferenz der Region sprechen hochkarätige Expertinnen und Experten wie Google Schweiz Chefin Christine Antlanger-Winter, Stephan Sigrist, Gründer des Think Tanks W.I.R.E., Autor und Komiker Patrick Karpiczenko, KI-Experte Malcolm Werchota oder Fabian Schmid, neuer Amtsleiter Informatik über die Erfolgsfaktoren und die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) für Wirtschaft und Gesellschaft. Programm und Tickets: www.digitalsummit.li