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Interview

«Digitalisierung ist Mittel zum Zweck, zentral ist der persönliche Austausch»

Dr. Christoph J. Frick ist Partner und Head Consulting Liechtenstein beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY. Als Mitglied des Boards von digital-liechtenstein.li engagiert er sich seit Beginn der Initiative unter anderem aktiv für die digitale Transformation des Wirtschaftsstandorts Liechtenstein. Mit seiner langjährigen Erfahrung in verschiedenen Sektoren, Regierungsarbeit, Diplomatie und der Wissenschaft gehört er zu den profiliertesten Stimmen für digitale Innovationen in Liechtenstein. Im Interview spricht er über digitale Transformation, Leadership und die Chancen für Liechtenstein.

Christoph, Du bist in verschiedenen Funktionen im digitalen Ökosystem aktiv. Was motiviert Dich persönlich, Dich so intensiv für die digitale Transformation einzusetzen?
Dass die Digitalisierung, auch gerne als Industrialisierung 4.0, die wirtschaftliche Bewegung unserer Zeit ist, muss kaum mehr verdeutlicht werden. Als Liechtensteiner habe ich also grosses Interesse dafür zu sorgen, dass unser Land von diesen Entwicklungen profitiert und sich weiterentwickeln kann. Und als Vater bin ich ebenso sehr daran interessiert, dass wir hier über unsere Generation hinaus eine tragfähige und fruchtbare Grundlage schaffen, indem wir Chancen für Liechtenstein ergreifen. Dies um auch in Zukunft ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort und sicherer Ort für unsere Bevölkerung zu sein. Aus diesem Grund setze ich mich sowohl privat als auch beruflich gerne dafür ein, die traditionellen Stärken unserer Unternehmen in Liechtenstein in die digitale Zukunft zu begleiten.

Wie hat Deine Zeit in der liechtensteinischen Regierung und bei all Deinen anderen Stationen Dein heutiges Verständnis von Digitalisierung geprägt?
Jede Initiative – und das gilt im digitalen Bereich ganz besonders, da hier die menschliche Intuition oft an ihre Grenzen stösst – ist nur so gut, wie sie auch in der Breite der Bevölkerung verstanden und getragen wird. So war und ist es immer mein Ziel, Ängste ernst zu nehmen und Chancen klar und verständlich aufzuzeigen. Also einfach zu kommunizieren und mit sinnvollen sowie nützlichen Anwendungsbeispielen Betroffene mit auf diese Reise zu nehmen. Ansonsten wird man immer hinter dem Potenzial der Chancen zurückbleiben, weil man wichtige Mehrheiten auf dem Weg verliert. Schwierige Diskussionen wie beispielsweise in der Schweiz bei der e-ID oder dem elektronischen Patientendossier illustrieren dies eindrücklich. Grundsätzlich denke ich aber, haben mich alle Stationen meiner Karriere, seien dies diese im Finanzsektor, der Bauindustrie aber auch der Diplomatie diese notwendige Offenheit und übergreifende Objektivität an Themen heranzugehen gelehrt. Ich sehe die Digitalisierung als technologisches Mittel zum Zweck, zentral und unverzichtbar in dieser Transformationsphase unserer Gesellschaft, ist der menschliche Austausch.

Du bist seit erster Stunde ein Förderer und Boardmitglied von digital-liechtenstein.li. Was bedeutet diese Rolle konkret für Dich?
Digital-liechtenstein.li ist ein wichtiger Hebel, um zu sensibilisieren und Grundlagen zum Verständnis dieser uns gegenüberstehenden technologischen Herausforderungen zu schaffen. Es ist das Gefäss, in dem aktuelle Fragestellungen etwas weiter weg von den Partikularinteressen einzelner Organisationen und Unternehmungen thematisiert und vorangetrieben werden können. Die Initiative hat sich als zentrale Kompetenzquelle für alle Schichten der digitalen Entwicklung in Liechtenstein etabliert.

Welche der sechs Handlungsfelder der Digitalen Roadmap liegen Dir besonders am Herzen – und warum?
Forschung und Innovation sowie Bildung und Arbeit sind für mich die zentralen Grundlagen, um Know-how zu schaffen und dieses in realen Erfolg umzusetzen. Alle anderen Bereiche basieren darauf und profitieren letztlich davon. Cybersecurity möchte ich ebenfalls eine Sonderstellung einräumen, da die Sicherheit im digitalen Raum ungleich komplexer ist als im physischen und uns, wenn wir hier nicht auf dem neuesten Stand sind, Sicherheitsüberlegungen beziehungsweise Ängste immer wieder einbremsen werden.

Du hast in Deiner Dissertation das Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Academia intensiv beleuchtet. Wo siehst Du in Bezug auf den Digitalstandort Liechtenstein aktuell die grössten Potenziale – und wo besteht noch Nachholbedarf?
Aus meiner Sicht besteht unsere grösste Stärke darin, sich rasch miteinander austauschen zu können. Das heisst, Bedarf sehe ich in der stärkeren Abstimmung dieser drei Sphären. Dieses Zusammenspiel hat Liechtenstein stets ausgezeichnet. Aufgrund des starken Anstiegs von Regulierungsthemen und dem stetigen Ressourcenkampf, ist dieser Austausch die letzten Jahre etwas verloren gegangen. Wir sollten uns wieder bewusster auf unsere Möglichkeiten und Vorteile konzentrieren. Das ist ein Priorisierungsshift, der uns wieder zurück zu unseren Wurzeln führt.

Du bist seit anfangs Jahr verantwortlich in Liechtenstein für den Consulting-Bereich eines der grössten Beratungsunternehmen der Welt. Wie bringt sich EY konkret in Projekte in Liechtenstein ein? Gibt es Erfolgsbeispiele, die Du teilen kannst?
Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns als EY, mit unserem lokalen Wissen um das Ökosystem Liechtenstein, als Sparringspartner für hiesige Unternehmen und deren Herausforderungen verstehen. Es ist mir persönlich ein Anliegen, dass ich in meiner Rolle, die Brücke in einen globalen Konzern mit einem riesigen Netzwerk, unglaublichen Erfahrungen und Daten, von dem wir auch in Liechtenstein profitieren können, zu lokalem Business schlagen kann. Dieses Verständnis können wir hier in einer sehr umfassenden Breite und Tiefe für unterschiedlichste Themengebiete anbieten und versuchen so das Land, die ansässigen Unternehmen sowie Verbände in einem übergreifenden Kontext abzuholen. Es würde bereits einige spannende Projekte in diesem Zusammenhang zu erwähnen geben, ich kann aber leider nicht näher auf einzelne Unternehmen eingehen. Die Projekte auf unterschiedlichen Ebenen freuen mich aber sehr und zeigen, dass unsere Philosophie verstanden wird.

Welche Trends beobachtest Du bei Euren Kundinnen und Kunden in Bezug auf Digitalisierung – und wie unterstützt EY konkret bei der digitalen Transformation?
Es gibt aktuell einen Megatrend, der einen – selbst wenn man sich bemüht Schritt zu halten – jeden Tag wieder mit seiner Geschwindigkeit und seinen neuen Möglichkeiten überrascht, das ist die Künstliche Intelligenz. EY kann hier aufgrund seiner Grösse, welche die Kompetenz vieler, über die ganze Welt verteilter Fachleute auf einen Punkt bringt, eine grosse Hilfe sein, um für Unternehmen aller Branchen und Grössen die Informationen auf bewältigbares Niveau zu bringen. Selbstverständlich gilt genau dies auch für viele andere Themen, aber bei KI ist für viele sicher aktuell der Know-how-Bedarf am grössten. Ein weiteres Thema in diesem Zusammenhang ist Cybersecurity, was es ganz bewusst und überlegt, im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftsstandorts anzugehen gilt. Zudem spielen in Liechtenstein strategische Überlegungen, regulatorische Herausforderungen und Resilienz-Themen immer eine wichtige Rolle. Diese versuchen wir gemeinsam mit dem Kunden möglichst nah am Kernbusiness des Unternehmens, mit direktem Impact und wo machbar einer kurzen Begleitphase anzupacken, damit der gewünschte Mehrwert erreicht werden kann. Digitale Anwendungen verstehen und wo sinnvoll einzubauen ist ein zentraler Aspekt unserer Arbeit.

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen braucht es, damit digitale Innovationen erfolgreich umgesetzt werden können?
Ich denke, wir haben in Liechtenstein bereits viele Möglichkeiten, dank unserer sehr innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen anstehende Herausforderungen aktiv anzupacken und entsprechend in Erfolge verwandeln zu können. Hier pflegen wir einen sehr direkten und unkomplizierten Austausch, ein Miteinander zwischen Bevölkerung, Wirtschaft und Politik, das heisst, wenn man etwas braucht und nachvollziehbar argumentieren bzw. aufzeigen kann, was eine allfällige Anpassung bewirkt, stösst man in der Regel auf offene Ohren. Diese Möglichkeit sollten wir weiter zu unser aller Gunsten nutzen. Das ist neben Stabilität und Rechtssicherheit einer der wichtigsten Standortvorteile Liechtensteins.

Welche Kompetenzen braucht es (in Liechtenstein) aus deiner Sicht, um digital erfolgreich zu sein?
Ich glaube, dass sich die nötigen Kernkompetenzen nicht verändert haben. Bei jedem Innovationsschub waren Führungsqualitäten, Weitsicht und Mut gefragt. Diese Offenheit gegenüber neuen Möglichkeiten und Technologien waren wie bereits vorhin erwähnt schon immer schon zentraler Bestandteil der liechtensteinischen DNA. Und die Fähigkeit Menschen zu begeistern, ihnen eine Vision zu vermitteln machte schon immer den Unterschied zwischen guten und hervorragenden Resultaten für unser Land aus. Wer das vor zwanzig, fünfzig oder hundert Jahren verstanden hat, hatte Erfolg. Und wer das heute noch versteht, wird auch im Digitalkontext reüssieren und die Zukunft Liechtensteins aktiv mitgestalten. Wir als EY versuchen dafür, das notwendige Know-how nach Liechtenstein zu bringen, um Bewusstsein zu schaffen und in Bezug auf bestimmte Themen zu sensibilisieren.

Du bist Chair des Liechtenstein Chapters des Swiss Institute of Directors (SIoD). Was ist darunter genau zu verstehen und wie sieht für Dich zukunftsfähige digitale Unternehmensführung aus?
Das Swiss Institute of Directors (SIoD) ist das führende Netzwerk von Corporate Directors in der Schweiz und Liechtenstein und die Vertretung der European Confederation of Directors‘ Associations (ecoDa) und des Global Network of Director Institutes (GNDI). Das SIoD bietet seinen Mitgliedern ein breites Spektrum an Ressourcen, Dienstleistungen und Vernetzungsmöglichkeiten und dient als Plattform für Direktoren zum Wissensaustausch, zur Weitergabe bewährter Praktiken und zur Entwicklung ihrer Führungsqualitäten. Die Organisation bietet Workshops an, die Direktoren dabei helfen, ihre Managementfähigkeiten zu verbessern und mit der sich entwickelnden Unternehmenslandschaft Schritt zu halten. Digitale Unternehmensführung gibt es für mich in diesem Sinne nicht. Für mich gründet zukunftsfähige Unternehmensführung in der Offenheit gegenüber technologischen Entwicklungen, deren Einsatz und dem stetigen persönlichen Austausch mit meinen Leuten. Ich bin überzeugt, dass Leader, die es verstehen ihre wertvollste Ressource – ihre Mitarbeitenden, mit auf diese Reise zu nehmen und diese mit Technologien unterstützen, wo effizient, nachhaltig erfolgreich und zukunftsfähig sein werden.

Wenn Du in einem Satz formulieren müsstest: Was braucht es, damit Liechtenstein 2030 zu den führenden Digitalnationen weltweit gehört? Und welche eine Massnahme sollte, dafür jetzt sofort in Angriff genommen werden?
Es geht dabei weniger um eine Massnahme als um eine Grundhaltung. Wir müssen die Digitalisierung mit all ihren Vor- und Nachteilen annehmen, sie zulassen und wirklich wollen. Wir dürfen uns nicht hinter vorgeschobenen Risikoüberlegungen verstecken, denn dann verlieren wir unseren wichtigsten Vorteil, die Wendigkeit des innovativen Kleinstaates.

Vielen Dank für das Gespräch!

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