Das Land Liechtenstein steckt mitten im digitalen Transformationsprozess. Das oberste Ziel lautet: Der Gang zum Schalter soll nur noch in Ausnahmefällen notwendig sein.
Bereits im Jahr 2011 wurde mit dem E-Government-Gesetz die rechtliche Grundlage für die elektronische Kommunikation mit den Behörden geschaffen. Richtig Bewegung in die Sache kam, als die Regierung die Digitale Agenda beschloss und im Jahr 2020 mit einer Gesetzesänderung den Startschuss für die Umsetzung gab.
Die entsprechende Verordnung sah vor, dass ab 2023 die Behörden und Unternehmen verpflichtet sind, auf dem elektronischen Weg zu kommunizieren – ganz nach dem Prinzip «digital only». Privatpersonen steht es weiterhin zu, die Briefpost oder den Weg zum Schalter zu wählen. Aber auch sie haben die Möglichkeit, online zu kommunizieren.
Es geht nicht nur im die technische Umsetzung
Mit dem ambitionierten Ziel der elektronischen Kommunikation ab 2023 sollte die Digitalisierung vorangetrieben werden. Damit der online Behördenverkehr aber auch zu einer Dienstleistung mit mehr Nutzen führt, braucht es durchgängige digitale Prozesse. Als zentrale Grundlage gelten dabei sogenannte Basisdienste wie die digitale Identität eID.li, ePayment oder die elektronischen Formularlösungen. Eine grosse Herausforderung, da die Arbeit komplex und sehr aufwändig ist. Denn dabei geht es nicht nur um die technische Umsetzung, sondern auch um Prozessabläufe und organisatorische Komponenten sowie die rechtlichen Grundlagen. «Deshalb kann nicht alles von heute auf morgen umgesetzt werden», erklärt Fabian Schmid, Amtsleiter beim Amt für Informatik.
Aus diesem Grund wurden einige Prozesse oder Verfahren als Ausnahmen in der E-Government-Verordnung festgelegt, für die weiterhin die Kommunikation nicht elektronisch erfolgt. Mit dem Ziel, diese so schnell wie möglich abzuarbeiten. Laut Schmid konnten seit Anfang des Jahres 2023 diverse Ausnahmen aufgehoben werden. Die Auslosung der Aufenthaltsbewilligung oder das Baubewilligungsverfahren wurden beispielsweise zwischenzeitlich vollständig digitalisiert.
Trotzdem bestehen immer noch einige Ausnahmen. Jedoch sollen laut Schmid zeitnah zahlreiche dieser Ausnahmen aufgehoben werden können. Einige analoge Prozesse werden aber auch in Zukunft bestehen bleiben, da bei ihnen eine Digitalisierung nicht möglich ist oder nicht den gewünschten Nutzen bringt. Dies ist beispielsweise in den Botschaften bei der Übermittlung von Originaldokumenten für Beglaubigungen der Fall. Oder die Ausstellung eines Reisepasses, wobei die Fingerabdrücke vor Ort erfasst werden müssen.
Mehrwertsteuer-Portal und Gewerbe-Lösungen in den Startlöchern
Trotz den Ausnahmen ist Liechtenstein in Sachen Digitalisierung auf einem guten Weg. «Insgesamt kann sicher gesagt werden, dass schon sehr viel umgesetzt ist, aber auch noch sehr vieles umgesetzt werden muss», hält Fabian Schmid fest. Seit vergangenem November sind nun auch die Basisdienste eVertretung, eZustellung und das Servicekonto my.llv.li für die Nutzer online. «Damit konnte ein weiterer grosser Schritt in der digitalen Kommunikation erreicht werden», so Schmid. Anfang 2025 folgen das neue Mehrwertsteuer-Portal und Gewerbe-Lösungen.
Der Mehrwert der digitalen Kommunikation liegt auf der Hand: Persönliche Behördengänge werden reduziert und Behördenleistungen können zu jeder Zeit von jedem Ort aus genutzt werden. «Durch die vernetzten Systeme werden Kosteneffizienz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit erhöht», erklärt Fabian Schmid.
Hinzu kommen die positiven ökologischen Aspekte, da ausgedruckte Dokumente nur noch in wenigen Ausnahmen notwendig sind. Als Herausforderung nennt Schmid den Datenschutz und die Datensicherheit, die für alle Systeme und Dienste sicherzustellen sind. «Bei den betroffenen Personen müssen die digitalen Kompetenzen berücksichtigt und dahingehend weiter ausgebaut werden.»
Bürokratieabbau dank Digitalisierung
Die Digitalisierung soll vor allem für einen Bürokratieabbau sorgen. Deshalb ist die «End-to-End Betrachtung» bei der Prozessgestaltung ein zentrales Element: Vom Start beim Unternehmen über die Verarbeitung in der Behörde bis hin zur Erledigung und Rückmeldung an das Unternehmen. Ein wesentlicher Punkt ist: Bürger oder Firmen müssen Daten und Informationen nicht immer wieder einreichen. Sind sie einmal hinterlegt, sind die Amtsstellen per Gesetz verpflichtet, diese untereinander auszutauschen, sofern die entsprechenden technischen Schnittstellen vorhanden sind.
Fabian Schmid hält fest, dass für verschiedene Geschäfte wie beispielsweise die Einreichung von Baugesuchen, Beantragung von Prämienverbilligungen, Einreichung von Mehrwertsteuerabrechnungen oder auch bei Terminvereinbarungen die Abläufe deutlich vereinfacht werden konnten. «Auch verwaltungsintern wurde bis heute viel in die Digitalisierung investiert, um die Effizienz der Abläufe erheblich zu verbessern», so Schmid. Als Beispiel nennt er die flächendeckende digitale Aktenverwaltung oder das komplett erneuerte «Zentrale Personenregister».
Digitalisierung für Unternehmen unverzichtbar
Die Digitalisierung schreitet also in grossen Schritten voran. Doch wie wird das elektronische Angebot von der Bevölkerung und Wirtschaft angenommen? Wie bei allen neuen Systemen und Diensten sei es ein Prozess, der durchlaufen werden müsse, so Fabian Schmid. «Die einen begrüssen die Digitalisierung, die anderen stehen ihr zurückhaltend gegenüber.
Unser Bestreben ist es, allen, die mit der Landesverwaltung eine Geschäftsbeziehung haben, den Nutzen und die Annehmlichkeiten der digitalen Services schmackhaft zu machen», sagt er dazu. Denn die Digitalisierung sei gerade für Unternehmen unverzichtbar. Im Mai 2024 rief die Regierung alle liechtensteinischen Unternehmen dazu auf, verstärkt auf die elektronische Kommunikation umzusteigen. Mitarbeitende, die Behördengänge für das Unternehmen erledigen, benötigen dafür ihre eID.li.
Neuen Schub soll die digitale Kommunikation mit der Einführung der elektronischen Mehrwertsteuer-Lösung Anfang Jahr bekommen. Damit werden wieder einige neue Basisdienste gestartet, was dazu führt, dass viele Unternehmen sich mit der elektronischen Kommunikation und deren Vertretungen mit dem digitalen Geschäftsverkehr auseinandersetzen.
Die Experten gehen davon aus, dass dadurch auch Privatpersonen, die bei einem liechtensteinischen Unternehmen tätig sind, sich mit den elektronischen Angeboten befassen und dadurch die digitalen Dienste auch mehr nutzen. Wann der Transformationsprozess abgeschlossen sein wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden. «Aufgrund der Vielzahl an Prozessen in der Liechtensteinischen Landesverwaltung, wird es noch über eine längere Zeit Potential für die Digitalisierung und die elektronische Kommunikation geben», erklärt Fabian Schmid.
Jeder Prozess, der noch nicht «End-to-End» durchgängig digitalisiert ist, soll früher oder später verbessert werden. Laut Schmid sind im Grunde in nahezu allen Bereichen Digitalisierungsprojekte am Laufen oder in Vorbereitung.
Quelle: Jahresmagazin von Wirtschaft regional, Autorin: Manuela Schädler
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Die „Digitale Verwaltung“ ist eines von sechs Themenfeldern der Digitalen Roadmap für Liechtenstein. Im Filmbeitrag sprechen Liechtensteins Regierungschef-Stellvertreterin Sabine Monauni, der Vaduzer Bürgermeister Florian Meier, BIM-Projektleiter Gunnar Eberle und Johannes Hasler, Vorsitzender des Steuerungsausschusses Digitalisierung der Gemeinden FL, über die fortschreitende Digitalisierung auf Staats- und Gemeindeebene.