Fachbeitrag I.D. Gisela Bergmann, Prinzessin von und zu Liechtenstein
CEO und geschäftsführende Verwaltungsrätin Industrie- und Finanzkontor Etablissement (www.iuf.li)
Die Finanzdienstleistungsbranche schreitet in Sachen Digitalisierung und Technologisierung immer schneller voran. Blockchain, Cloud Systeme, KI-unterstützte Services und vieles mehr haben innert nur weniger Jahre dazu geführt, dass Arbeitsprozesse und Kundendienstleistungen effizienter, transparenter, kostengünstiger und auf die spezifischen Kundenwünsche hin gestaltet werden können.
Ein nächster wesentlicher Schritt in diesem Zusammenhang wird nun sein, dass die Zusammenarbeit zwischen den Finanzplatzteilnehmern und den Behörden im Bereich von Verwaltung und Regulierung ebenso effektiv erfolgen kann. Obwohl einiges schon erreicht wurde, sind die regulatorischen Erfordernisse fortlaufend im Wandel und die Kunden des Finanzplatzes stellen Anforderungen an eine moderne Verwaltung. Daher muss das auch in Zukunft weiter ausgebaut werden.
Die Herausforderung dabei ist, mit der Vielzahl der sich stetig weiterentwickelnden Regulatorien und Gesetzen Schritt zu halten, den oft straff gesetzten Fristen von Aufsichtsbehörden gerecht zu werden, die Komplexität und teilweise Divergenz regulatorischer Vorgaben bestmöglich zu lösen, den unterschiedlichen Rechenschaftspflichten nachzukommen, dabei den primären Kundenfokus beizubehalten sowie die resultierenden Kosten hierfür für die Kunden weiterhin tragbar zu gestalten. Dies wirkt sich beispielsweise auf die administrative Verwaltung von Rechtsträgern und Vermögensstrukturen aus und bindet Ressourcen. Doch im Zuge der digitalen Transformation lässt sich die Verwaltung von Rechtsträgern und Vermögensstrukturen mithilfe von IT-Lösungen effizienter gestalten, damit das eigentliche Kundenbedürfnis fokussiert werden kann.
Regtech kann hier einen sehr positiven Beitrag leisten. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Worten Regulatory und Technology. Regtech-Lösungen ermöglichen Finanzdienstleistern, regulatorische Anforderungen und Verwaltungsaufgaben mithilfe digitaler Anwendungen automatisieren, effizienter und effektiver abwickeln und gezielter überwachen zu können. Der daraus resultierende Nutzen für die Finanzdienstleister – und im Endeffekt für deren Kunden sowie auch die Regulierungsbehörden – liegt darin, dass sie den gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben wesentlich kosteneffizienter und ressourcenschonender nachkommen und verschiedenste Prozesse, wie etwa im Treuhandbereich im Gesellschaftswesen, der Kundenbuchhaltung und der Compliance, optimieren können.
Heute steht der Einsatz von Regtech-Lösungen noch am Anfang. Umso wichtiger ist es, dass sich deren Entwicklung möglichst nah an der analogen Realität orientiert und nicht umgekehrt. Denn genauso wie Finanzdienstleister ihre Lösungen, Produkte und Services individuell auf die Bedürfnisse und Anforderungen von Kunden ausrichten, genauso müssen sich die unterstützenden Regtech-Lösungen sowie die Systeme von Verwaltungsstellen an den Bedürfnissen und Anforderungen der Praxis und der Benutzer orientieren. In der Finanzdienstleistungsbranche unterscheidet sich fast jeder Kundensachverhalt von einem anderen. Wenn Vermögensstrukturen aus regulatorischer Sicht charakterisiert werden müssen, dann sollten die dazu zur Verfügung gestellten Systeme auch eine möglichst individuelle Datenerfassung zulassen. Eine «one-size-fits-all »-Lösung ist hier wenig zielführend und eher hinderlich.
Im Sinne der Standortattraktivität bedeutet digitaler Fortschritt demnach auch, beispielswese bei der Umsetzung von elektronischen Identifikationssystemen oder bei der Handhabung von internationalen Compliance-Vorschriften und Regulierungsvorgaben den technologischen Fortschritt miteinzubeziehen und dabei sicherzustellen, dass die zur Verfügung gestellten Datenerfassungssysteme möglichst die reale Wirklichkeit abbilden.
Wir bewegen uns in einer fragilen, komplexen Welt, in der der Bedarf nach Schutz und Sicherheit für Vermögen und Werte ungebrochen ist. Deshalb ist es zentral, dass die Entwicklungen im regulatorischen, wirtschaftlichen und politischen Bereich genau beobachtet werden, damit Chancen und Risiken vorausschauend evaluiert werden können. Technologie und Digitalisierung spielen hier eine immer entscheidendere Rolle.
Liechtenstein hat sich zum Ziel gesetzt, in Sachen Digitalisierung bis im Jahr 2030 zu den fortschrittlichsten Staaten weltweit zu zählen. Die Standortinitiative Digital Liechtenstein leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Insbesondere die Vision zur digitalen Verwaltung ist mit Blick auf die zuvor gemachten Ausführungen sehr positiv hervorzuheben. Die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen kann dazu beitragen, dass die Finanzplatzakteure den behördlichen und regulatorischen Anforderungen noch effektiver und effizienter nachkommen können – unter gleichzeitiger Berücksichtigung der zugrundeliegenden Kundenbedürfnisse.